Sagen

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Kuchen aus dem Teich

Kuchen aus dem Teich Zeichnung von Ingrid AnnelZwei Bauern pflügten ihre Felder. Als sie zwischendurch mal ihren Rücken strecken mussten und von der Arbeit aufblickten, sahen sie vom nahen Teich Rauch aufsteigen. Während sich der jüngere Bauer verwundert die Augen rieb, lachte der ältere und sagte: „Der Wodernyx will wohl heute Kuchen backen und heizt gerade den Backofen an.“ „Wenn das so ist!“, lachte nun auch der jüngere Bauer. Übermütig rief er in Richtung des Teiches: „He, du Wassermann da unten, mir knurrt schon mächtig der Magen. Wenn ich an Kuchen nur denke, läuft mir so viel Wasser im Mund zusammen, dass ich deinen Teich damit zum Überlaufen bringen könnte. Also beeil dich mit dem Backen und bring uns ein Stück Kuchen herauf! Aber nicht so ein wässriges, klitschiges Zeug, hast du verstanden?“ Die beiden Männer lauschten gespannt, jedoch vom Grunde des Sees kam keine Antwort. Ringsum war alles still. Nur die Spatzen in den Sträuchern am Feldrain zwitscherten aufgeregt durcheinander. Also pflügten die Bauern weiter ihre Felder. Nach einer Weile hörten sie, wie sich jemand schnaufend näherte. Es war der Nyx. Er trug einen kleinen Tisch vor sich her, stellte ihn zwischen die Ackerfurchen und sagte: „Bitte sehr! Ihr habt Kuchen verlangt, hier bekommt ihr ihn. Und gleich noch ein frisches Bier dazu. Ihr sollt den Kuchen essen, aber er muss ganz bleiben. Ihr dürft ihn weder mit dem Messer anschneiden noch in Stücke zerbrechen. Und das Bier sollt ihr trinken, ohne den Krug in die Hand zu nehmen. Gelingt euch das nicht, büßt ihr es mit eurem Leben.“  Seine roten Augen funkelten bedrohlich. Ohne ein weiteres Wort und ohne die Antwort der Bauern abzuwarten, drehte er sich um und verschwand wieder in den Abgründen des Teiches. Die beiden Bauern starrten einander an, schreckensbleich. Doch schon einen Augenblick später griff der jüngere nach seinem Messer und schnitzte so lange an einem groben Holzspan, bis dieser flach und scharfkantig wie ein Messer war. Damit säbelte er den Kuchen in der Mitte heraus, ohne den Rand zu zerschneiden. Dann teilte er mit dem Holzspan das Stück in zwei Hälften. Köstlich schmeckte der Kuchen des Wassermanns. So süß, wie die beiden Bauern noch nie in ihrem Leben einen Kuchen auf der Zunge gehabt hatten. Doch als das Gebäckstück verspeist war, meldete sich der Durst umso dringender. Schon wollte der junge Bauer nach dem Bierkrug greifen, da hielt ihn der ältere zurück und rief: „Warte!“ Er eilte hinüber zum Ufer des Sees, wo das Schilf wuchs. Davon brach er zwei Röhrchen ab. Die steckten die beiden Männer in das schäumende Bier und hatten so den Krug bald leer getrunken.
Nachdem sie gerade die letzten Tropfen vom Grunde des Bierkruges laut durch die Röhrchen gesaugt hatten und sich genüsslich den Mund wischten, brodelte und tobte hinter ihnen das Wasser im Teich. Der Nyx kam heraus und fauchte: „Der Teufel hat euch beiden Verstand gegeben.“Im Nu war das Tischchen samt Kuchenrest und Bierkrug verschwunden. Die beiden Bauern lachten sich ins Fäustchen und gingen mit frischen Kräften wieder an ihre Arbeit. Der Wassermann ist ihnen nie wieder begegnet.

Ingrid Annel „Glücksdrachenpech. Von Wassermännern, Drachen und Irrlichtern.“ Märchen und Sagen aus der Lausitz Band 1. Bertuch Verlag 2012.

Geschrieben am 18. Februar 2013 | Abgelegt unter Sagen

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